25 Sep IG „Bahnstrom – so nicht!“ wirft der Bahn Peinlichkeit und Stillstand vor
Die IG „Bahnstrom – so nicht!“ befürwortet die Elektrifizierung der Bahn in Nordostbayern. Sie stellt sich aber gegen Freileitungen, weil sie Naturzerstörung befürchtet. Warum bei der Bahn dazu nichts passiert und welche Kritik es gibt.
In der Kritik der „IG Bahnstrom – so nicht“ stehe definitiv nicht die Elektrifizierung an sich. Es gehe um das Wie bei der Bahnstromversorgung von ganz Nordost-Bayern. Das machte Illschwangs Bürgermeister Dieter Dehling gleich zu Anfang des Pressegesprächs im Café Karlsons in Illschwang deutlich. „Im Gegenteil, wir sind für eine schnellstmögliche Elektrifizierung der nordostbayerischen Bahnstrecken und haben dazu ein Alternativkonzept erarbeitet und prüfen lassen, das den Ausbau schneller und ressourcenschonender voranbringen würde.“
Zur Debatte stehen konkret 70 Kilometer Freileitung von Ottensoos im Nürnberger Land quer durch den Landkreis Amberg-Sulzbach bis nach Irrenlohe im Landkreis Schwandorf. Die IG hatte der Deutschen Bahn einen alternativen Vorschlag unterbreitet: Eine dezentrale Versorgung aus dem öffentlichen Stromnetz über Umrichter-Werke. Gemeinsam von der Regierung und der DB wurde bei der TU Dresden ein Gutachten in Auftrag gegeben. „Das Ergebnis war eindeutig“, so Gerhard Pirner, der maßgeblich an der Ausarbeitung des Vorschlags beteiligt war.
Machbare Alternative
„Das Gutachten bestätigte, dass die Alternative grundsätzlich machbar und realisierbar ist. Zudem bestätigte die Bayernwerk AG, dass das öffentliche Stromnetz ausreichende Kapazitäten dafür bietet, ohne das Stromnetz verstärken zu müssen!“ Einen Wermutstropfen musste die IG allerdings hinnehmen. Beim Kostenvergleich seien die Kosten für Erstellung und Betrieb der Alternativlösung höher als bei den Freileitungen. Deswegen empfahl die TU Dresden die Freileitungen. Die Ursache für die höheren Kosten vermutete Pirner bei unterschiedlichen Ansätzen der Nutzungsdauer, die zugunsten der Freileitungen angenommen wurden.
Die Frage sei zudem, ob die Themen Naturschutz, Flächenverbrauch und massive Einschnitte in die Landschaft nicht sowieso eine andere Gewichtung auf einen möglichen Kosten-Nutzen-Effekt haben. Diese Aspekte wurden im Gutachten nicht betrachtet. Ob man 300 Hektar Wald abholzt oder eine nachhaltige und zukunftsträchtige Lösung verfolgt, ist eine Frage der Perspektive, die bei der Deutschen Bahn an anderen Orten bereits verfolgt wird. Hermann Gradl von der IG wies darauf hin, dass eine dezentrale Bahnstromversorgung, wie sie auch von der IG für die Oberpfalz vorgeschlagen wird, in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und jüngst bei der Süd- und Allgäubahn realisiert wurde. Bei den Strecken im Allgäu stellt die Bahn die Vermeidung von Freileitungen und die Verkürzung der Umsetzung als positives Merkmal dar.
Ein Verfahren nötig
„Da muss man sich schon die Frage stellen, warum in der Oberpfalz nichts vorwärts geht.“ Für Pia Huber von der IG ist es völlig unverständlich, warum seit November 2022 von Seiten der Bahn keine gravierenden Änderungen mehr erfolgt sind. Huber wies auf die Internetseite www. bahnausbau-nordostbaern.de hin, die für sie das beste Beispiel für den Stillstand sei. Dort werde deutlich gesagt, wie die Deutsche Bahn vorgehen will. Dort heißt es: „Für die ergänzenden Leitungsverfahren wird als nächstes die Raumverträglichkeit geprüft. Dafür ist ein sogenanntes Raumordnungsverfahren erforderlich, das von den Bezirksregierungen durchgeführt wird. Dieses wollen wir 2021 beginnen!“
Pia Huber von der IG quittiert dieses Zitat mit dem Satz: „Diese Aussage der Bahn ist doch peinlich. Sofort könnte mit der dezentralen Lösung begonnen werden. Ein Raumordnungsverfahren ist nicht nötig. Ein Bauantrag reicht aus, um die vier nötigen Umrichter-Werke auf je 2000 Quadratmetern Fläche zu errichten.“
Antwort ein Jahr später
Es waren auch zynische Worte, die beim Pressegespräch fielen. So wurde ein Schreiben der IG vom 8. April 2022 an das Verkehrsministerium erst über ein Jahr später am 15. Juni 2023 beantwortet. „Hier darf man sich schon fragen, ob Verspätungen bei der Bahn und beim Verkehrsministerium symptomatisch sind“, so Hermann Gradl, der auch Versäumnisse beim Planungsauftrag der Politik sieht. „Der Planungsauftrag wurde ziemlich frei formuliert. Aber genau das ist der Punkt. Es wird dabei keine zukunftsweisende und rasche Umsetzung mit möglichst geringem Eingriff in die Umwelt gefordert.“ Unter all diesen Aspekten sei die Frage der IG „Bahnstrom – so nicht!“ schon berechtigt: „Steht sich die Deutsche Bahn selbst im Weg?“
Zusammenfassend richtete Bürgermeister Dieter Dehling im Namen der IG den dringenden Appell an die verantwortlichen politischen Mandatsträger: „Bitte kommen Sie Ihrer Verantwortung nach im Sinne unserer Umwelt und einer zukunftsgerichteten Bahnelektrifizierung und treten dafür ein, dass der alternative Ansatz nun endlich ernsthaft ins Auge gefasst wird.“
Befürchtungen der IG „Bahnstrom – so nicht!“
- Massive Natureingriffe: Bahn plant laut IG 225 km Freileitung durch 132 km Naturparks, durch 86 km Landschaftsschutzgebiete, die Rodung von 324 ha Wald.
- Auch die Zerstörung von Brutplätzen geschützter Tiere wie Uhu und Milan befürchtet die IG
- Freileitungen würden laut IG Tourismus als Wirtschaftsfaktor stören
Text Martin Franitza
Bild Gerhard Pirner (Die IG „Bahnstrom – so nicht!“ kritisiert die Pläne der Deutschen Bahn, Dutzende solcher Schneisen durch die nordostbayerischen Wälder zu schlagen).